„Gebraucht zu werden verleiht Flügel“ – Jobcenter sieht Teilhabechancengesetz als Erfolgsmodell

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17. September 2019
Aktionstag „Religionsfreiheit – Einsatz für verfolgte Christen“ am AHF-Gymnasium Detmold
14. Oktober 2019

4.553 Arbeitslose bezogen im Kreis Warendorf im August Leistungen nach dem SGB II. Viele davon schon sehr lange. Aber ein Großteil von ihnen will arbeiten. Einzig und allein ein paar Handicaps verhinderten ihre Arbeitsaufnahme. Denn sie sind in ihrem Leistungsvermögen so stark eingeschränkt, dass sie dem Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt nicht standhalten können. Deshalb hat das Bundesarbeitsministerium Anfang 2019 das „Teilhabechancengesetz“ in Kraft treten lassen. Durch hohe Zuschüsse an Arbeitgeber und ein begleitendes Coaching während der Beschäftigungen sollen Langzeitarbeitslose in Unternehmen integriert und nachhaltig beschäftigt werden. Die Zahl derer, die dankbar diese Teilhabechance ergreifen, straft jene Lügen, die von Langzeitarbeitslosen als „nicht vermittelbar“ sprechen. In einer ersten Pilotmaßnahme der DEULA und des Vereins Impulse e.V. in Warendorf haben bis jetzt 42 Menschen, die zum großen Teil länger als 5 Jahre arbeitslos waren, einen Riesenschritt in Richtung des Arbeitsmarktes gemacht – mit überraschenden Erkenntnissen für alle Beteiligten.

 

„Zum ersten Mal seit ewig langer Zeit habe ich mal das Gefühl, gebraucht zu werden!“ Roland ist 61 Jahre alt. Über 30 Jahre hat er als Programmierer gearbeitet. Als er 56 war, hat ihn sein Arbeitgeber durch ein „jüngeres Modell“ ersetzt. Die Zeit der Arbeitslosigkeit, der „Bewerbungstrainings“, der Praktika und der Zurückweisungen hat ihn misstrauisch und verschlossen gemacht. Bis zum Mai 2019. Da hat er, ohne große Hoffnungen, eine Maßnahme an der DEULA in Warendorf begonnen.

Heute ergreift Roland die Initiative. Er motiviert seine Mitstreiter, hat seinen Kampfgeist und sein Selbstbewusstsein wiedergewonnen. Denn Roland sucht aktiv eine Arbeit. Einen Job, der das rückgängig macht, was ihn am meisten belastet – ein Hartz IV-Empfänger zu sein.

André Fuckner ist Projektkoordinator bei Impulse e.V. in Warendorf und hat die Verwandlung dieses Teilnehmers über die neun Wochen des Projektes erlebt: „Roland steht exemplarisch für alle Menschen, die mit uns dieses Projekt durchlaufen. Jeder von ihnen hat eine Vorgeschichte und keiner von ihnen hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit als Lebensmodell ausgesucht.“

So wie Annette. Sie hat ihre Tochter großgezogen. Jetzt lebt deren Kind bei ihr, und darum kümmert sie sich liebevoll. Sie nimmt ihre Rolle als Oma und Ersatzmutter sehr ernst und will unbedingt für ihr Enkelkind da sein, darum war ein Halbtagsjob die einzige Option für sie. Während der Maßnahme haben das Team von Impulse e.V. und die Ausbilder der DEULA zunächst  feststellen müssen, welche Arbeit Annette sich zutraut. Ihr Traum war Pferdepflegerin. Harte Arbeit: Misten, füttern, putzen – aber Verantwortung für Tiere, das wollte sie. Heute arbeitet sie festangestellt als Pflegerin auf einem der vielen Pferdepensionsbetriebe in der Region. Ihr heutiger Arbeitgeber war selbst einmal arbeitslos und weiß, wie das ist. Er wollte der jungen Frau eine Chance geben, „weil das oft das Einzige ist, das man braucht!“.

In enger Kooperation mit dem Jobcenter Kreis Warendorf arbeiten Jobcoaches und Betriebsakquisiteure von Impulse e.V. sowie Ausbilder der DEULA mit den Teilnehmern dieser Pilotmaßnahme. Die attestieren dem Projekt, anders zu sein als alles, was sie zuvor an Maßnahmen durchlaufen haben: Zwei Wochen „Aktivierungsphase“, danach vier Wochen praktische Arbeit in den zahlreichen Ausbildungsangeboten der DEULA, um herauszufinden, in welchem Arbeitsbereich sich die Teilnehmer einsetzen wollen. Hier arbeitet man im Berufsfeld Hauswirtschaft und Pflege zum Beispiel mit dem Betriebs Hilfsdienst Warendorf BHD zusammen. Und schließlich das dreiwöchige Modul „Vermittlung in Arbeit“, bei dem Praktika und Unterstützung bei den Bewerbungen den Schritt in die echte Arbeitswelt erleichtern sollen. Alle am Projekt Beteiligten eint der feste Wille, den Teufelskreis von Bewerbung, Absage und Entmutigung zu durchbrechen.

 

Die Vermittlungsquote sei zurzeit schon zufriedenstellend, heißt es, nicht zuletzt, weil das Jobcenter über fünf Jahre die Lohnkosten der Teilnehmer unterstützt. Aber das sei gut investiertes Geld, betont Martin
Hanewinkel, Sachgebietsleiter im Jobcenter. „Die Beschäftigten gewinnen eine neue Lebensqualität, erfahren Teilhabe am Arbeitsleben und erzielen ein eigenes Einkommen. Und die Unternehmen gewinnen motivierte Mitarbeiter, deren Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit aber dadurch gemildert werden, dass wir die Lohnkosten zum großen Teil übernehmen.“

Für die Mitarbeiter von DEULA und Impulse e.V. ist das Pilotprojekt eine Herausforderung, „weil die Probleme vieler unserer Teilnehmer völlig individuell angegangen werden müssen“, erklärt DEULA-Geschäftsführer Björn Plaas. „Hier werden wir mit Einzelschicksalen konfrontiert, die wir erstmal lösen müssen – oft in der eins-zu-eins-Betreuung. Aber wir brauchen diese Menschen am Arbeitsmarkt, und dieses Gefühl des Gebrauchtwerdens verleiht den Teilnehmern Flügel!“

So wie bei Dimitri, der nach einem schweren Autounfall lange arbeitsunfähig war und sich nach seiner Genesung einfach nichts mehr zugetraut hatte. Das hat sich gründlich geändert. Er arbeitet inzwischen als Hausmeister-Gehilfe. Ursprünglich brauchte Dimitri seinen ganzen Mut für die Bewerbung auf eine Halbtagsstelle, aber schon im Vorstellungsgespräch wurde vereinbart, dass er auch Vollzeit arbeiten soll. Für Dimitri die richtige Entscheidung, denn „es gibt so viel zu tun und die Arbeit macht mich glücklich!“